„Der Weltraum, unendliche Weiten. Wir schreiben das Jahr 2200…“.
Mit diesen Worten begann jede der 79 Folgen der Fernsehserie „Raumschiff Enterprise“, die ab 1972 im Deutschen Fernsehen ausgestrahlt wurde. Während die Enterprise „in Galaxien vordrang, die nie ein Mensch zuvor gesehen hat“, war ich vor kurzem in auch im Weltall unterwegs. Zwar “nur” in unserem Sonnensystem und ohne Raumschiff, sondern zu Fuß, aber immerhin ging es von der Sonne bis zum Pluto.
Schon lange hatte ich mir vorgenommen, einmal den ganzen Planetenweg zu gehen und nun hat es endlich gepasst.
Der Planetenweg Göttingen ist eine Nachbildung der Sonne und der sie umkreisenden neun Planeten im Maßstab 1:2 Milliarden. Eigentlich sind es nur noch acht, denn Pluto wurde inzwischen als Zwergplanet eingestuft.
Zwei Milliarden Kilometer im Weltall entsprechen einem Kilometer auf dem Planetenweg. Der Weg beginnt vor Gebhards Hotel in der Goetheallee und endet am Bismarckturm hoch oben im Hainberg.
Bronze-Stelen, die von den Göttinger Künstlern Karin und Reinhold Wittig gestaltet wurden, stellen die Sonne und die Planeten dar, ebenfalls im selben Maßstab.
Textinfos auf jeder Stele liefern Wissenswertes zu dem jeweiligen Himmelskörper. Träger des Wegs ist der Förderkreis Planetarium Göttingen.
Schwülwarm ist es an diesem Donnerstag. Ich stehe vor der „Sonne“ in der Goetheallee. Im Gegensatz zu allen anderen ist ihre Stele dreiseitig. Goldgelb leuchtend, thront ihre Kugel mit 70 Zentimetern Durchmesser auf der Säule.
Neben zahlreichen Infos zu unserem erdnächsten Stern fällt mir vor allem die Inschrift auf der Westseite auf. Über einem Bild des polnischen Astronomen Nikolaus Kopernikus steht geschrieben, dass der Weg, ihm zu Ehren, unserer Partnerstadt Toruń, und vor allem den Kindern gewidmet ist.
Neben dem Steckbrief mit wissenschaftlichen Daten zu dem jeweiligen Himmelskörper, ist auf der dritten Seite auch ein Hinweis auf Goethes ehemalige Wohnung hier in der Straße zu lesen. Samt dem Lob auf die Sonne, aus seinem wohl berühmtesten Werk, dem Faust.
Die ersten vier Planeten kreisen relativ dicht um die Sonne und deshalb liegen auch ihre Stelen sehr nahe beieinander. Merkur, Venus, Erde und Mars sind alle in Sichtweite an der Goetheallee aufgestellt. Das war mir vorher noch nicht so bewusst.
Da auch das Größenverhältnis der Planeten selbst sich am genannten Maßstab orientiert, sind die Größeren erhaben aus der Stele herausgearbeitet. Die kleinen, bei denen das keinen Sinn gemacht hätte, sind durch Stahlkugeln unterschiedlichen Durchmessers zwischen Glasscheiben symbolisiert. Das verschafft mir ganz reizvolle Fotomotive, da ich ja hindurchsehen kann. Die Erde misst hier beispielsweise nur 6,5 Millimeter Durchmesser.
Die Außengastronomie in der Goetheallee ist heute sehr gut besucht. Die Menschen, die während ihrer Besorgungen durch die Stadt gehen, nehmen kaum Notiz von den Planetensäulen. Erst als sie mich fotografieren sehen, werden einige aufmerksam und schauen genauer hin.
Zwischen der alten SUB und dem Michaelishaus, beide sind mehr als einen flüchtigen Blick wert, laufe ich weiter. Der Jupiter in der Prinzenstraße steht, nur wenige Meter vom Nabel entfernt, ein wenig im Aufmerksamkeits-Schatten der zentralen Skulptur „Der Tanz“. Auch hier sind übrigens fast alle Plätze vor den Gaststätten belegt.
Die Dame, die mich anspricht, während ich den größten Planeten unseres Sonnensystems ablichte, entpuppt sich als Mitglied des Trägervereins. Frau Kiang weist mich auf den Zwergplaneten Sedna hin, ebenfalls ein Bestandteil des Planetenwegs. Die Stele, die seinen geringsten Abstand zur Sonne maßstabsgerecht markiert, befindet sich allerdings am Mühlendamm in Diemarden.
Auf dem Weg zur nächsten Planetenkugel schlendere ich die Theaterstraße hoch, bahne mir eine Lücke durch die Schlange der wartenden Kunden vor Eislust.
An der Kreuzung zur Oberen Karspüle fällt mir das Verlagsgebäude von Vandenhoeck & Ruprecht mit seinem wunderschönen Eingangsportal auf. Rechts daneben, im Verlauf der Straße, glänzt das goldene Pferd über der Einfahrt zu den Kulpschen Garagen in der Sonne. Man muss einfach noch mehr zu Fuß gehen, denke ich mir, so entdeckt man die schönsten Dinge.
Kurz darauf stehe ich vor dem Deutschen Theater und dem prächtigen Kandelaber auf seinem Rondell. Auf dem Fußweg neben der Bushaltestelle ist die siebte Station meines heutigen Planetenwegs installiert, der Saturn. Neben den Abmessungen und Entfernungen, nennt der Steckbrief auch seine fünf größten Monde: Titan, Rhea, Iapetus, Dione und Thetis. Seine berühmten Ringe sind allerdings leicht verbogen. Vermutlich hat sich mal jemand darauf gestellt, um den Start zum Altstadtlauf besser verfolgen zu können.
Richtung Osten geht es für mich weiter. Beim Blick zurück aus der Planckstraße fällt mir die bauliche Wucht des Max-Planck-Gymnasiums, des ältesten Gymnasiums der Stadt, erstmals so richtig auf. Das hat man nicht einmal im Göttingen-Tatort so gesehen.
Ich passiere wunderschöne alte Stadtvillen mit hölzernen Wintergärten und vielfältiger Giebelarchitektur. Am Ende der Straße, an der Kreuzung zum Düstere-Eichen-Weg, blicke ich auf ein wunderschönes Haus mit Erker und Türmchen. Es ist die Heimat der „Blauen Sänger“, der – nach eigenen Angaben – ältesten studentischen Kulturorganisation Göttingens. Neben einem Symphonieorchester bietet die musikalische Vereinigung auch einen gemischten Chor, ein Theaterensemble und eine Big Band.
Ich muss weiter, denn einige Meter weiter wartet der Uranus am Eichendorff-Platz auf mich. Die Stele ist auf dem kleinen begrünten Areal direkt vor einem üppig und farbenfroh bepflanzten Beet aufgestellt – ein schöner Platz.
Ab der Weender Straße geht es stetig bergauf. Genau wie in der Brüder-Grimm-Allee, die ich jetzt hinauf gehe. Nicht am Rand auf dem Bürgersteig, sondern schön in der Mitte, auf dem Kiesweg unter den sattgrün leuchtenden Linden, die augenscheinlich in Göttingen häufig gepflanzt wurden. Als ich die Ewaldstraße erreiche, biege ich rechts ab.
Das Hainbund-Denkmal in Göttingen. Foto: GöTM / Mischke
Vor lauter Bäumen übersehe ich fast meine neunte Station, den Neptun. Die Stele steht schräg gegenüber vom Hainbund-Denkmal, kurz vor der 180-Grad-Kehre der Herzberger Landstraße. Warum der Steckbrief seinen Mond Triton als „Störenfried“ und „planetarischen Geisterfahrer“ bezeichnet, erschließt sich mir in diesem Moment nicht. Ist mir aber gerade auch egal, weil der erste Blitz über den Himmel zuckt. Bei Gewitter durch den Wald bis zum Pluto am Bismarckturm wäre wohl auch unklug. Das hole ich dann an einem anderen Tag nach.
Redaktion: Florian Heinz
Text: Christoph Mischke
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