Adlig zu sein, das bedeutete schon immer nicht nur eine Menge Privilegien zu genießen, es brachte durchaus auch Pflichten mit sich. Die Familie Berlepsch etwa, deren malerisch gelegener Stammsitz auf einem nur 30 Autominuten von Göttingen entferntem Schloss liegt, stellt bereits seit 1369 mit den Erbkämmerern von Hessen bis in die Gegenwart eines der höchsten Ämter des hessischen Adels.
So einen Kämmerer müsste man sich heute wohl als Mischung aus hessischem Finanzminister, oberstem Gebäudemanager im hessischen Landtag und Vorsitzendem des hessischen Finanzgerichts vorstellen. Dass den Berlepschern diese Würde zuteilwurde, haben sie in gewisser Weise allerdings den Göttingern zu „verdanken“, denn diese sorgten dafür, dass die Familie ihren vorherigen Stammsitz in Barlissen 1298 verlassen musste.
Damals grenzte die aufstrebende Stadt Göttingen nämlich selbstbewusst die Macht des braunschweigischen Herzogs in ihrem Umfeld ein, dem die Berlepscher in Barlissen als Burgherren verpflichtet waren. Im Ergebnis wurde die Berlepscher Burg geschliffen und die Familie vertrieben.
Einer der ihren, Arnold von Berlepsch, erwies sich in der Folge besonders hervor. Er zeigte großes Geschick als Diplomat und Schlichter. Dies war besonders bemerkenswert, da es zu dieser Zeit ein verwirrendes Geflecht von Streitigkeiten unter regionalen Adligen gab. Beeindruckt von seiner Fähigkeiten, gewährte ihm der Landgraf von Hessen die Erlaubnis zum Bau des heutigen Schlosses im Werratal. Dieses Schloss wurde im Jahr 1369 fertiggestellt.
Wenn ihr Schloss Berlepsch noch nicht kennt, können wir euch einen Besuch nur empfehlen. Es gibt es dort heute neben abwechslungsreichen, täglichen Führungen zu Geschichte und Geschichtchen des Schlosses, gastronomische Angebote, Kultur und regelmäßige Mittelalter-Events.
Darüber hinaus lohnt jedoch bereits das fantastische Panorama die kurze Anreise. Schloss Berlepsch braucht in dieser Hinsicht keinen Vergleich mit so ikonischen Anlagen wie Burg Eltz scheuen. Vermutlich wurde das Immobilienqualitätscredo „Lage! Lage! Lage!“ bei seiner Erbauung im 14. Jh. zwar noch etwas anders interpretiert, aber der Weg zum Schloss ist derart malerisch, dass es wohl niemanden wundern dürfte, dass es in den 50er-Jahren von der in Göttingen beheimateten Filmbrache der Nachkriegs-Bundesrepublik rasch als Drehort entdeckt wurde.
Das Schloss war nicht nur in einigen Heinz-Erhardt-Produktionen zu sehen, wie beispielsweise in den Kassenschlagern “Witwer mit fünf Töchtern” und “Ferien in Tirol”. Auch Ausschnitte des Films „Unsterbliche Geliebte“, mit dem der „Jud Süß“-Regisseur Veit Harlan sein Comeback versuchte, zeigten das Schloss, auf dem während der Dreharbeiten auch die mit Harlan verheiratete Hauptdarstellerin des Films, Kristina Söderbaum, gastierte.
Die schwedische Schauspielerin hatte ihre größten Erfolge mit Nazi-Propagandafilmen gefeiert, die so oft damit endeten, dass sie „ins Wasser ging“, dass sie den Beinamen „Reichswasserleiche“ erhielt, wie sich Sibylle von Dassel erinnert. Sie ist Tochter von Hubertus von Berlepsch, einem Besitzer des Schlosses. Als der Film dann 1951 erstmals im Göttinger Central-Theater in der Barfüsser Straße lief, war dies wegen der Proteste auf der Straße und Störungen im Kinosaal nur unter Polizeischutz möglich.
Alles in allem gab es zahlreiche positive Verbindungen zwischen Schloss und Filmstadt, die letztlich aus den freundschaftlichen Beziehungen unter Film- und Theaterszene in Göttingen erwuchsen.
So erinnert sich die 1946 geborene Sibylle von Dassel an ihren Onkel, der Schauspieler Tilo von Berlepsch, der damals am Deutschen Theater unter Heinz Hilpert arbeitete, und vermutlich den Filmleuten von dem attraktiven Schloss nahe Göttingen erzählte.
Seine Herkunft war es möglicherweise auch, die ihm Verlauf seiner Tätigkeit dann immer wieder Rollen als „Butler“ einbrachte, weil angenommen wurde, dass er wisse, wie man sich zu benehmen habe.
Auch die Einwohner*innen der umliegenden Ortschaften profitierten davon, sich immer wieder als Statist*innen etwas hinzuverdienen zu können. „Hin und wieder wurden auch Requisiten aus den Schlossbeständen in die Filmstudios nach Göttingen gebracht“, erzählt Baron Fabian von Berlepsch, Geschäftsführer der Schloss Berlepsch, gut gelaunt. „Wir haben hier noch immer einige schmerzhafte Erinnerungen daran, was damals so alles zu Bruch ging.“
Weniger der Filmindustrie, als vielmehr einer organisierten Diebesbande fielen damals auch die beiden Kanonen auf dem Hof des Schlosses zum Opfer. „Eines Tages fuhr ein Lieferwagen vor“, so Fabian von Berlepsch, „und eine der Kanonen verschwand.
Während noch gerätselt wurde, was geschehen war, fehlte eine Woche später die zweite.“ Das sie heute wieder da sind, ist Fabian von Berlepschs Vater, dem heutigen Schlossherren Sittich Graf von Berlepsch, zu verdanken, der während eines gemütlichen Abendspaziergangs durch die Innenstadt Nürnbergs plötzlich im Schaufenster eines Antiquitätenhändlers eines der fehlenden Geschütze entdeckte.
Die hinzugerufene Polizei erfuhr vom Besitzer des Ladens, dass er in der nächsten Woche noch eine zweite Kanone erwarte und empfing die Diebesbande dann hinter einem Vorhang wartend mit Handschellen. Am Ende konnte ein ganzer Hehlerring ausgehoben und die Beute wieder zurückgebracht werden.
Ein wichtiges Element für die Win-Win-Beziehung zwischen Adelssitz und Filmbranche bildeten auch das Schlosshotel und Restaurant, das Fabian von Berlepschs Großvater Hubertus von Berlepsch aufgebaut hatte. Dieser hatte zwar eigentlich Musik oder Medizin studieren wollen, so seine Tochter Sibylle von Dassel, musste dann aber doch die Leitung des Familiensitzes übernehmen, nachdem sein älterer Bruder im 2. Weltkrieg verstorben war.
Das luxuriös eingerichtete Hotel – in den 50er-Jahren bedeutete das fließendwarmes und kaltes Wasser auf den Zimmern und ein Badezimmer im Flur – wurde rasch zu einer beliebten Mischung aus Rückzugsort und Hot Spot, an dem die Filmstars ihren Aufenthalt gleichzeitig zurückgezogen und sichtbar verbringen konnten. Denn die Schlossterrassen waren eben auch ein beliebtes Ausflugsziel für junge Göttinger*innen und Student*innen, die hier bei einer Sinalco darauf hoffen durften, dem einen oder anderen Star zu begegnen.
Und wie es sich für die Filmbranche gehört, kam es in einem der zwölf Zimmer des Hotels zu dieser Zeit auch zu dem ein oder anderen Techtelmechtel. Beispielweise erinnern sich Sibylle von Dassel und ihr Neffe Fabian an ein erst kürzlich abgebautes Alkovenbett in einem Zimmer direkt unter dem Dach.
In der Trennwand zwischen den beiden Bettnischen befand sich ein Türchen, das eigens auf Wunsch von Walter Giller hineingesägt worden war, damit er seiner neben ihm nächtigenden Liebsten und späteren Ehefrau Nadja Tiller, einem der Traumpaare der 50er- und 60er-Jahre, „Guten Morgen“ und „Gute Nacht“ sagen konnte. Ganz offensichtlich wusste Herr Giller, was sich gehörte. Passenderweise beschreibt Sibylle von Berlepsch, dass er sich selbst zwei Scheiben Brot auf die Rechnung setzen ließ, die er einmal bei einem Abstecher in die Hotelküche mitbekommen hatte.
Dass auf Berlepsch damals auch internationale Prominenz zu Gast war, bestätigt Sibylle von Dassel, die sich, sobald sie alt genug war, auf dem Schloss ein wenig Geld verdiente, in dem sie Betten machte, in der Abwaschküche half oder eben auch im Restaurant bediente.
Als sie dort in den 60ern eines Tages die berühmte Hildegard Knef mit ihrem späteren Ehemann, dem britischen Schauspieler David Cameron, sah, bat sie erfolgreich darum, diesen Tisch zu übernehmen und wurde mit einem Autogramm des Weltstars belohnt.
In den 80er-Jahren lohnte sich der gastronomische Betrieb jedoch nicht mehr und für eine Weile wurde es ruhiger auf dem Schloss, bevor Berlepsch 2011 unter dem Label „Das Tor zum Mittelalter“ eine Neuausrichtung erfuhr, die es mit Mittelaltermärkten, Ritterturnieren und Vollkontaktsport in historischer Rüstung wieder zurück zu seinen Ursprüngen führt. Heute sind auch wieder Übernachtungen auf dem Schloss möglich, oder je nach Geschmack beispielsweise auch in einem nahegelegenen Baumhaus-Hotel.
Redaktion: Forian Heinz
Aktualisierung, 17.07.2023: In einer ursprünglichen Version haben wir den Schauspieler und Regisseur Heinz Hilpert David Hilbert genannt. Wir haben den Fehler korrigiert.
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