Wer Göttingen entdecken und dabei möglichst viel sehen will, ist in der Stadtführung “Rund ums Gänseliesel” gut aufgehoben. Dieser Rundgang führt einmal quer durch die Altstadt und schildert spannend und knapp die wichtigsten Informationen zu Göttinger Sehenswürdigkeiten, die bei einem Besuch der Universitätsstadt nicht fehlen dürfen.
Von dem berühmten Gänseliesel und dem mittelalterlichen Alten Rathaus über Fachwerkhäuser bis zu geschichtsträchtigen Universitätsgebäuden und Kirchen: Die Führung bietet einen Überblick über die Besonderheiten sowie die kulturellen und historischen Highlights der Innenstadt.
Das Gänseliesel gilt als das meistgeküsste Mädchen der Welt: Es spielt eine wichtige Rolle bei den Doktorand*innen der Georg-August-Universität. Nach erfolgreicher Prüfung ziehen sie in bunten Zügen durch die Stadt, meist mit einem dekorierten Handwagen, und besteigen den Brunnen, um das Gänseliesel zu küssen.
Wenn es nach dem Magistrat der Stadt gegangen wäre, dann würde heute vor dem Alten Rathaus gar nicht das Gänseliesel stehen: Das “Gänsemädel”, was von Heinrich Stöckhardt entworfen und von Bildhauer Paul Nisse kreiiert wurde, gewann nach einer Ausschreibung der Stadt nämlich nur den zweiten Preis.
Der Magistrat hatte sich für einen ganz anderen, für einen protzigeren Entwurf entschieden: Einen Löwen mit dem Titel “Im Geiste der Alten/Tugendbrunnen” von K. Mehs und H. Jehs.
Die ersten drei Gewinner wurden der Bevölkerung vorgestellt – und die Bürger entschieden sich schlussendlich nach langer Diskussion für den zweitplatzierten. Sie meinten, dass die Einfachheit der Statue viel besser zu den normalen Leuten passen würde – im Gegensatz zu den vielen Statuen berühmter Wissenschaftler der Georg-August-Universität.
Am 8. Juni 1901 wurde die Figur des “Gänsemädels” aufgestellt, gänzlich ohne Einweihungsfeier. Die Figur stellt ein junges Mädchen dar, das von mehreren Gänsen umgeben ist. Sie besitzt keinerlei weitere Verbindungen zur Stadtgeschichte. Allerdings haben sich die Studierende der Georg-August-Universität schnell ihrer angenommen: Anders als heutzutage kletterten einige von ihnen nach ihrer Immatrikulation auf den Brunnen, um das Mädchen zu küssen. Das feucht-fröhliche Ritual hatte häufig erheblichen Lärm und gelegentliche Beschädigungen des Brunnens zur Folge. Dies (und nicht den angeblichen Verfall der Sitten) versuchte die Obrigkeit zu unterbinden, indem sie 1926 das sogenannte Kussverbot erlies: Unter einer Strafe von 10 Reichsmark wurde es untersagt, das Liesel weiterhin zu küssen. Um die Strafe nicht zahlen zu müssen, zog ein Student schlussendlich bis zum Berliner Kammergericht. Er wollte die Rechtmäßigkeit des Verbots anzweifeln – und verlor.
Das Kussverbot besteht offiziell bis heute, wird aber nicht mehr durchgesetzt – so wirklich hat sich an das Kussverbot in Göttingen sowieso nie jemand gehalten. Der 100. Geburtstag der Statue wurde 2001 mit vielen Aktionen gefeiert. Unter anderem wurde eine Ratssitzung inszeniert, in der das Kussverbot scheinbar für 100 Minuten aufgehoben wurde, sodass viele Göttinger*innen, ob Studierende oder nicht, die Gelegenheit ergriffen, das Gänseliesel zu küssen. Rein rechtlich war diese „Fake“-Sitzung ohne Belang.
Die Kuss-Tradition hat sich über die Jahre verändert, sodass heute kaum mehr frisch immatrikulierte Studierende das Mädel küssen. Heutzutage ist es üblich, dass Doktorand*innen nach erfolgreicher Prüfung den Gänseliesel-Brunnen besteigen und es mit Blumen schmücken. Der Kuss gehört natürlich auch heute noch mit zur Tradition.
Seit dem Jahr 1990 haben Studierende und Doktorand*innen indes nicht mehr das Original geküsst: Dies wurde durch eine Nachbildung ersetzt und steht nun um Städtischen Museum Göttingen.
Seit 1995 findet in Göttingen jährlich das Gänselieselfest statt. Dort werden für ein Jahr das Gänseliesel und das Mini-Gänseliesel gewählt. Der verkaufsoffene Sonntag mit vielen Aktionen zieht zehntausende Besucher*innen in die Innenstadt.
Ihre Existenz als Märchengestalt hat das Gänseliesel einem Schreibwettbewerb des Göttinger Tageblattes zu verdanken, den zum 100. Geburtstag der Statue am 30. September 2001 die Adelebsenerin Sabine Lebensieg gewann.
Der Anlass: In vielen Märchenbüchern sind Fotos vom bronzenen Gänseliesel auf dem Markt zu sehen, ein gleichnamiges Märchen gab es aber nicht. Ein Wettbewerb wurde ausgeschrieben: 5000 Mark sollte erhalten, wer das schönste und künftig einzig wahre Gänseliesel-Märchen erfindet. Aus mehr als 300 Einsendungen wählte eine Jury schließlich das Märchen von Sabine Lebensieg aus.
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