Wusstet ihr, dass Göttingen einmal über einen Flugplatz der Wehrmachts-Luftwaffe – Codebezeichung Helenental – verfügte? Spätestens seit den regelmäßigen Bombenräumungen der letzten Jahre, die leider ja auch schon Todesopfer forderten. Denn auch dieser Fliegerhorst gehörte zu den Zielen, die von Bomberverbänden der Alliierten angeflogen wurden.
Erste Pläne für einen Fliegerhorst in Göttingen gab es bereits 1916, und so unterzeichneten schon 1918 Stadt und Militär einen Vertrag zur Errichtung einer entsprechenden Anlage.
Wegen der Kapitulation des Kaiserreichs wurde daraus dann nichts, aber ein Jahr nach der Nazi-Machtergreifung starteten die Planungen für den Fliegerhorst erneut, der ab 1935 erbaut und am 21.04.1937 offiziell eröffnet wurde, wobei die Inbetriebnahme wohl schon ein Jahr zuvor erfolgte.
An das etwa kreisförmige, grasbedeckte Flugfeld schlossen sich damals im Süden Flugzeug- und Wartungshallen an, die ebenso wie ein Schießstand für das Einschießen der Flugzeugbordwaffen an das alte Dorf Grone grenzten.
Am Königssteig – am östlichen Rand des Fliegerhorstes – lagen Unterkünfte und Verwaltungsgebäude, die Wache, das Casino und die Instandsetzungsgebäude für Flak und Kommunikationstechnik. In einem alleinstehenden Gebäude an der Nordwestecke des Flugplatzes befand sich die Aerodynamische Versuchsanstalt, von der noch die Rede sein wird.
Nicht zu vergessen: der „Scheinflughafen“ zur Ablenkung von feindlichen Angriffen, der im Falle Göttingens bei Rittmarshausen eingerichtet wurde.
Damals und während des Krieges wurde der Fliegerhorst sowohl für Ausbildungszwecke als auch für Wartungs- und Reparaturarbeiten genutzt. Kampfflieger sind bis auf das 1941 nach Göttingen verlegte und mit Dornier-Bombern ausgestattete Kampfgeschwader 2 „Holzhammer“ so gut wie nicht dokumentiert.
Dafür wurde hier 1939 der Fliegerforstschutzverband aufgestellt, der 1944 von Coburg aus unter der Bezeichnung Erprobungskommando 40 im Donau-Raum und an der Ostfront zur Schädlingsbekämpfung eingesetzt wurde – aber das wäre eine Geschichte für ein anderes Mal.
Das Erprobungskommando 9, das ebenfalls in Göttingen stationiert war, befasste sich unter anderem in der „Aerodynamischen Versuchsanstalt“ (AVA) mit mindestens ebenso spannenden Themen. Neben dem alleinstehenden Gebäude am Rande des Flugfeldes arbeiteten seine Mitglieder sicher auch in der Bunsenstraße. Dort befand sich seit 1909 eine Forschungseinrichtung für Aerodynamik, die von einem berühmten Forscher namens Ludwig Prandtl gegründet wurde. Diese Einrichtung wurde ab 1919 als “Aerodynamische Versuchsanstalt” bezeichnet. Dort wurden verschiedene Versuche und Entwicklungen im Bereich Strömungsforschung durchgeführt, insbesondere für die deutsche Rüstungsindustrie. Sie hatten einen eigenen Windkanal und waren an der Entwicklung von Waffensystemen wie der “V 1”-Rakete beteiligt.
Diese heute gern als „Wiege der modernen Aerodynamik“ und weltweit erste staatliche Luftfahrtforschungseinrichtung eingeordneten Forschungsanstalt ging 1969 übrigens in der neuen Deutschen Forschungs- und Versuchsanstalt für Luft- und Raumfahrt auf, die schließlich 1997 in Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) umbenannt wurde. Wenn ihr wollt, könnt ihr in der Bunsenstraße noch immer einen ihrer wichtigsten Standorte besuchen.
Zurück zum Helenental, denn hier wurde in den 30er- und 40er-Jahren ein Flugzeugtyp erprobt, der heute in Gestalt der hochmodernen Tarnkappen-Bomber vom Typ Northrop B-2 Spirit der US-Luftwaffe noch immer im Einsatz ist.
Die B2 gilt als teuerstes Kampfflugzeug der Welt, das wegen seiner charakteristischen Nurflügler-Konstruktion von Radargeräten nur sehr schwierig zu entdecken ist. Genau solche Nurflügler entwickelten jedoch die Brüder Reimar und Andreas Horten in Göttingen.
Hatten die beiden in Bonn zunächst noch mit Segelflugzeugen experimentiert, wurden ihre weiteren Arbeiten mit Beginn des Zweiten Weltkriegs von der Luftwaffenführung nach Göttingen verlegt. Neben düsenbetriebenen Prototypen, wie dem zweistrahligen Kampftrainer Ho VII und dem sechsstrahligen Bomber Ho VIII., realisierten die Brüder in Göttingen, die mit zwei Turbinen bestückte Ho IX.
Ohne die Niederlage Nazi-Deutschlands wären die Ho IX in Gotha auch als Gotha Go 229 in Versionen als Jäger und Jagdbomber in Serie gegangen. Ziemlich sicher dürfen wir aber wohl davon ausgehen, dass die amerikanischen Truppen, die den Göttinger Fliegerhorst damals übernahmen, auch an der „Wunderwaffe“ interessiert waren, die dort entwickelt wurde.
Zwar fanden sie nur eine zwei mit deutschen Kennzeichen versehenen eigene Kampfflugzeuge, doch die Baupläne der Hortens dürften ihnen in Göttingen oder später im thüringischen Friedrichsroda, wo sie auch einen Horten-Rumpf entdeckten, in die Hände gefallen sein.
Und 64 Jahre nach Kriegsende ergaben Versuche mit einem nach Originalplänen gefertigtem Nachbau, dass ihr Flugzeug tatsächlich bereits Tarnkappen-Eigenschaften aufwies.
Nach dem Krieg wurde Helenental noch eine Weile als Segelfluggelände genutzt, dann jedoch verschwand es unter dem heutigen Industriegebiet Grone.
Wenn ihr wollt, könnt ihr aber noch immer zahlreiche Spuren des Fliegerhorsts entdecken. So wurden die Nurflügler unter anderem in den Gebäuden der heutigen Autobahnmeisterei entwickelt, das ehemalige Verwaltungsgebäude des Flugplatzes beherbergt Teile der Geschwister-Scholl-Gesamtschule und die „Brockensammlung“ in der Levinstraße befindet sich in einem Teil des ehemaligen Versandlagers des Flugplatzes.
Kein Beitrag über den Fliegerhorst sollte allerdings ohne Hinweis auf die Zwangsarbeit bleiben, die dort von Menschen aus verschiedenen Ländern geleistet werden musste. Zwar zählte der Fliegerhorst seiner Zeit auch zu den wichtigsten Arbeitgebern Göttingens, aber in den Baracken des Lagers Egelsberg an der südöstlichen Ecke des Geländes von Fliegerhorst und Luftzeugamt lebten ab Januar 1943 Franzosen, Niederländer, Flamen sowie sogenannte „Ostarbeiter und Ostarbeiterinnen“ und später auch Polen, die mit ihrer Arbeit dazu beitragen mussten, die deutsche Kriegsmaschinerie am Laufen zu halten.
Redaktion: Florian Heinz, Malisa Wille
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