Die Pfalz Grona, die damals hinter festen Mauern auf dem Sporn des Hagenbergs aufragte, war gut gesichert, mit viel Wohnkomfort ausgestattet und, wenn gerade ein König oder Kaiser zu Besuch war, auch ein echtes Zentrum der Macht.
Pfalzen dienten den im Mittelalter mit ihrem Gefolge herumreisenden Kaisern und Königen als Unterkunft. Neben Wohn- und Regierungsgebäuden verfügten sie meist über eine Befestigungsanlage und einen landwirtschaftlichen Betrieb, der das Ganze versorgte. Dieses „Nomadendasein“ der Herrscherklasse ermöglicht Göttinger*innen heute nicht ganz zu Unrecht die Behauptung, als Hauptstadt einer europäischen Großmacht gedient zu haben – zu einer Zeit, als es das heutige Berlin noch gar nicht gab!
Obwohl die Ehre streng genommen den Menschen aus Grone gebührt, sind sie bereits seit Jahrzehnten Teil unserer weltoffenen und urbanen Community geworden. Im Jahr 915, als die Pfalz Grona erstmals erwähnt wurde, gab es allerdings noch gar kein Göttingen.
Das erstmals 953 erwähnte Dorf Gutingi – wo die Leute am Bach Gote wohnten – dürfte zwar damals bereits bestanden haben, aber ganz sicher betrachteten sich die Pfalzbewohner*innen und die Menschen, die rund um die heutige Albaini-Kirche lebten, als jeweils ganz eigenständige Gemeinschaften.
Und obwohl für das Dorf Gutingi weitreichende Handelsbeziehungen nachgewiesen wurden, konnten die Pfalz-Grona doch mit einem klar „internationalerem Flair“ punkten.
Wenn ihr also das nächste Mal in der Groner Weststadt unterwegs seid, dann schaut ruhig mal, ob nicht doch noch ein wenig mittelalterliche G7-Kaiser-Aura spürbar ist.
Aber Moment mal, das ist noch nicht alles! Eine weitere faszinierende Anekdote könnte euch auch gefallen. Beschrieben wird sie in Röseners Aufsatz „Grone als Zentralort des Königtums im mittelalterlichem Sachsen“. Es geht um eine frühmittelalterliche Version moderner Desinformationsstrategie, ohne deren Erfolg es das Heilige Römische Reich vielleicht nie gegeben hätte, das in der Folge für sehr lange Zeit die Geschichte Europas prägen sollte.
Zurück ins Jahr 915: Damals wurde der sächsische Herzog Heinrich nämlich in der Pfalz Grona vom ostfränkischen König Konrad I. belagert. Ostfranken war eines der Königreiche, das aus der Teilung des Frankenreichs Karls des Großen hervorgegangen war. Schon seit der Zeit dieses Herrschers waren Franken und Sachsen über die Jahrhunderte hinweg zu so etwas wie „liebste Feinde“ geworden. Man führte Krieg, kooperierte und führte wieder Krieg.
Auch Heinrich und Konrad dürften das Ganze relativ sportlich gesehen haben, denn der Ostfrankenkönig bot dem sächsischen Herzog über eine Delegation entsandter Boten an, sein „Freund“ sein zu dürfen. Er müsse sich nur unterwerfen. Wenn so etwas von dem Kerl kommt, der gerade mit einem Haufen Bewaffneter vor der eigenen Haustür steht, ist das natürlich so eine Sache. Deshalb dürfte der 39-jährige Herzog Heinrich wohl zumindest gezögert haben, der neue Busenfreund des fünf Jahre jüngeren Frankenkönigs zu werden. Glücklicherweise tauchte jedoch just in diesem Moment Thietmar von Osten auf. Thietmar war, so zitiert Werner Rösener den zeitgenössischen Chronisten Widukind von Corvey, „erfahren im Kriegswesen und durch seine angeborene Schlauheit vielen Menschen überlegen“. In jedem Fall dürfte er ein begnadeter Schauspieler gewesen sein, denn kaum bei Heinrich angekommen, fragte er den Sachsenherzog – so laut, dass die ostfränkischen Boten es sehr genau mitbekamen – wo denn bitte das Heer lagern solle, dass er mitgebracht habe.
Das Heer gab es zwar nicht, aber Konrads Boten machten sich wohl kurz darauf, eilig auf den Weg, um ihrem König die Neuigkeiten zu überbringen, woraufhin das Frankenheer nicht lange fackelte und sich auf den Heimweg machte. Der Rest ist, wie man so schön sagt, Geschichte.
Drei Jahre später wählten die Fürsten des ostfränkischen Reiches nämlich besagten Heinrich zu ihrem König, der in der Folge das zerstrittene Ostfrankenreich mit ruhiger Hand einte, so dass daraufhin sein Sohn als Otto der Große vom Papst zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches ernannt wurde.
Vielleicht wurde die Pfalz Grona als eine Erinnerung an Thietmars Tat zu einem der bevorzugten Domizile der Ottonen. Dies änderte sich jedoch im Sommer vor 999 Jahren, als Kaiser Heinrich II. in der Pfalz verstarb und die Salier-Familie die Herrschaft der Ottonen ablöste.
Die Bedeutung der Pfalz ging praktisch sofort verloren und sie wurde irgendwann in Kämpfen zerstört. Erst 1263 wurde sie von der Adelsfamilie von Grone, die dem Reich diente, wieder aufgebaut. Doch die Burg war den Bürgern der inzwischen erstarkten Stadt Göttingen ein Dorn im Auge. Sie wurde dann 1323 endgültig dem Erdboden gleich gemacht – angeblich hatten sich die Groner als Raubritter betätigt. Ob ein Nachfahre Thietmars hinter der Behauptung steckte, ist unbekannt.
Redaktion: Florian Heinz, Malisa Wille
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